Margit Czenki

Essen mit Spass, Installation 2009

Ist es klug, Genuß, Spaß und Sinnlichkeit von anderen Formen des Wissens zu trennen? Diese Frage braucht man im München des Jahres 2009 nicht zu stellen: Im Zeitalter der Fernsehkochshows würde niemand bezweifeln, dass Essen Spaß machen – und Kochen Teil der Bildung sein kann. Was heute medialer Mainstream ist, musste im München der 60er Jahre noch erkämpft werden. Und in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand von Dresden, wo Tütensuppen und Fertiggerichte regieren, sieht es auch heute noch anders aus.

In Ihrer Installation „Essen mit Spaß“ stellt Margit Czenki zwei  Situationen, Modelle und Zeiten einander gegenüber. „Essen“ steht hier für einen politischen (und pädagogischen) Ansatz, der alle Aspekte des Lebens als Feld der Aneignung, der Praxis, des Lernens, der Kritik und der Veränderung einbezieht.

In einem ausführlichen Interview spricht der Sohn der Künstlerin, der Regisseur und Musiker Ted Gaier („Die Goldenen Zitronen“, „Three Normal Beatles“, „Schwabinggrad Ballett“, „Essen mit Spaß“), über seine Erfahrungen im ersten anti-autoritären Kinderladen Münchens. Zusammen mit anderen Eltern hatte Czenki den Kinderladen in der Königinstraße in Schwabing gegründet. Gaier reflektiert über das heute verbreitete „68er-bashing“, und die Angriffe, denen selbst Kinder durch die sie umgebende Spießerwelt ausgesetzt waren, über den modellhaften Charakter der Kinderläden und die Veränderungen des Umfeldes, aus dem heraus diese entstanden waren, über den Alltag und die Unterschiede in revolutionären Boheme- und Polit-Kommunen, über Räume und Essen, Musik und Bildung, Punk und Politik, Klasse und Geschlechterrollen, Militanz und Kollektivität, und über die Aktualität der damaligen Experimente.

Diesem, durch Künstler_innen und Sozialrevolutionär_innen der späten 60er „erweiterten Politikbegriff“ stellt Czenki ein Video aus dem Dresdner Plattenbaugebiet Prohlis gegenüber. Dort entwickelt sie 2006 mit Christoph Schäfer die “Kartoffelshow”. In eine Standardgrünfläche zwischen den Wohnblocks werden gemeinsam mit Kindern Kartoffeln in Form einer Rennbahn gepflanzt. Die Installation mit Wettbewerbscharakter wird ergänzt durch Zuschauertribünen. Die Aktion gipfelt in der Kartoffelernte und einer öffentlichen Kochshow.

Auch dieses Projekt begreift Alltagstätigkeit als kulturelle Handlung und stellt die Frage, ob man von einem Koch nicht mehr lernen kann, als von einem Pädagogen. Doch auf einer zweiten Ebene rührt die Kartoffelshow an beunruhigendere Punkte: Hat sich der emanzipatorische Anspruch der Avantgarde auf Aneignung aller Aspekte des Lebens unter den umgekehrten Vorzeichen einer Gesellschaft des Spektakels, als kapitalistische Konkurrenzkultur längst realisiert?

Die Videos werden ergänzt durch Modelle, die sich mit dem Verhältnis beider Situationen zum Raum befassen. Verbunden werden beide Teile durch ein Diagramm, das Begriffe, Bedeutungsverschiebungen und Veränderungen, Brüche und Vereinahmungstendenzen in Verbindung setzt. So aktualisiert die Arbeit verdrängte Ideen, und richtet einen Blick auf grundsätzliche Fragestellungen, die im groben Gestrüpp von Supernanny-TV, Kinder-als-Tyrannen-Psychologie, Auslesediskursen und  Rating-Ideologie zu verschwinden drohen: was brauchen Kinder? Und in was für einer Welt wollen wir eigentlich leben?